Todesrauscher by Aechtner Uli

Todesrauscher by Aechtner Uli

Autor:Aechtner, Uli [Aechtner, Uli]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863589660
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2016-04-01T16:00:00+00:00


FÜNFZEHN

Roberta hatte den Corsa an der Tankstelle stehen lassen. Es führte nur ein etwas breiterer Feldweg zu der hell erleuchteten Hütte, die weiter hinten im Acker lag, und sie wusste nicht, ob sie den Wagen dort wenden konnte. Sie hatte keine Lust, hier irgendwo im Matsch stecken zu bleiben. Schon gar nicht so spät abends, an einem kalten Januartag. Es sah auch nicht danach aus, als würden in der Hütte oft Veranstaltungen stattfinden, es fehlten Hinweisschilder, Parkplätze an der Straße und was Ausflugslokale sonst noch zu bieten hatten. Doch es gab auch kein anderes Gebäude gegenüber der Tankstelle, eine Verwechslung war also kaum möglich.

Sie hatte schon gar nicht mehr an die Apfelweinverkostung in dem Vereinsheim gedacht, als der Termin bei dem Gespräch mit der Umweltaktivistin auf einmal wieder ungewöhnlich interessant geworden war. Gleich würde sie sich Ella Winkler endlich mal aus der Nähe ansehen.

Entschlossen marschierte sie los. Der Weg war vom Schneeregen der vergangenen Tage aufgeweicht, doch sie schob den Gedanken an ihre neuen Schuhe beiseite. Kleine Äste knackten unter ihren Sohlen, in der Ferne bellte ein Hund.

Sie ließ ein Dickicht links liegen, dann einen kleinen Bachlauf, der sich im Gestrüpp verlor. Für einen Moment verharrte sie und lauschte dem Plätschern des Wassers, das sie in der Dunkelheit zwischen den Büschen kaum ausmachen konnte. Schließlich strebte sie wieder auf die erleuchtete Hütte zu, während sie im Weitergehen ihre verworrenen Gedanken sortierte.

Die Bilder von Jacques in der Kelter verfolgten sie immer noch, und der Anblick seiner Füße unter dem Tuch auf dem Seziertisch der Rechtsmedizin hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Immerhin war es ihr gelungen, Cathérine bei seiner Beerdigung zu helfen. Jacques’ sterbliche Überreste waren vorgestern in Friedberg kremiert worden. Dass es eins der ältesten Krematorien Deutschlands war, gefiel Roberta. Das denkmalgeschützte Gebäude hatte Jacques’ letztem Gang, wie sie fand, wenigstens noch ein bisschen Flair gegeben. Die Urne würde seine Schwester in wenigen Tagen in der Normandie auf einem Friedhof in der Nähe ihres Heimatortes beisetzen. Das Geld, das Roberta vom Sender für die Smartphone-Aufnahmen ausbezahlt worden war, hatte knapp für die Überführung gereicht. Cathérine hatte sie erzählt, sie habe unerwartet viel Geld von ihren Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen, ein kleiner Vorschuss auf ihr Erbe. Die Bilder von Jacques in der Kelter waren seiner Schwester erspart geblieben. Niermann hatte sie zum Glück nicht weiterverkauft, und in Frankreich wurde die News Show nicht ausgestrahlt.

An Silvester hatte Roberta an Bär gedacht, beinahe hätte sie ihn angerufen. Wie schön wäre es gewesen, mit ihm ins neue Jahr hineinzufeiern. Sie hatte sich an den Abend in dem Eckenheimer Apfelweinlokal erinnert, an den sortenreinen Boskoop und an seine traurige Geschichte von dem ausgesetzten Penner. Damals hatte sie gehofft, es sei der Beginn einer Freundschaft. Aber das Auftauchen von Jacques, sein Tod und all die Missverständnisse, die damit zusammenhingen, waren zu heftig gewesen, um sie nun mit einem einfachen Anruf zu überwinden.

Sie war sich mittlerweile sicher, dass sie Jacques nicht umgebracht hatte, auch wenn sie sich nicht mehr an alles erinnern konnte, was an jenem Abend vorgefallen war.



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